LS (2003) Befinden sich die hervorragenden Professoren an den Universitäten und dort in den Leitungspositionen? die-Besten-nennen 21: www.die-besten-nennen.de
© Vless Ebersberg, 2003

 

Befinden sich die hervorragenden Professoren an den Universitäten und dort in den Leitungspositionen?

Untersuchungen an Beispielen der deutschen Strahlentherapie und Frauenheilkunde

 

Decken sich die Namen in den Bestenlisten mit denen der Direktoren und Abteilungsleiter in den Universitäten? Oder sind sie allgemein mit den Namen der Professoren identisch, unabhängig davon, ob diese in einem Universitätsklinikum oder außeruniversitären Krankenhaus oder in Praxen tätig sind?
Zwei Studien zeigen, dass viele Professoren auf hohen Positionen in Universitäten nicht die Voraussetzungen für die Aufnahme in die Bestenlisten erfüllen, weil sie keine entsprechenden Forschungsleistungen erbringen. Einige sind nach internationalen Kriterien als Forscher sogar überhaupt nicht existent.
Andererseits erreichen durchaus Professoren in außeruniversitären Einrichtungen wie städtischen Krankenhäusern die hohen Anforderungen für die Aufnahme in Bestenlisten. Auch Professoren in nachgeordneten beruflichen Positionen und Nichtprofessoren erfüllen die Anforderungen. Allerdings ist der Anteil der zur Aufnahme in die Bestenlisten Berechtigten in hohen Positionen an Universitäten unter allen angeführten Gruppen am höchsten.


Die vornehmliche Aufgabe von Professoren besteht darin, zur Forschung beizutragen (R. Plomp, 1994). Wer sich in diesem Rahmen mit neuesten Erkenntnissen und Methoden beschäftigt und sie in Publikationen den Fachkollegen überzeugend darstellt, ist auch in der Lage, Neuestes in der Lehre an ausgebildete und in Ausbildung befindliche Fachkollegen zu vermitteln. Von forscherisch erfolgreichen Wissenschaftlern, die medizinisch tätig sind, lassen sich auch Höchstleistungen in der Versorgung komplizierter „Fälle“ erwarten (H. Troidl, 1992).
Viele statistische Untersuchungen bestätigen die Richtigkeit der angeführten Überlegungen (S. Lehrl & E. Gräßel, 1993): Das Ausmaß des Forschungserfolgs steht in einem engen Zusammenhang mit weiteren akademischen und versorgerischen Leistungen, auch mit dem Status unter Fachkollegen.

Da Professoren maßgeblich nach ihren Forschungsleistungen ausgelesen werden (sollen), müssten sie entsprechend ausgeprägte Erfolge in den internationalen Wissenschaften haben. Gerade wegen dieser strengen Auslese ist denkbar, dass alle dienstlich aktiven Professoren etwa gleich viel zur weltweiten Forschung beitragen. Dann fände man sie gleichermaßen in den Universitätskliniken und außeruniversitären Krankenhäusern sowie Praxen und dort in allen möglichen Positionen. Dann müsste man nur auf den Professorentitel achten, und die Bestenlisten brächten keine neuen Erkenntnisse über die - aus internationaler Sicht - aktuell wichtigsten Vertreter der deutschsprachigen Forschung.
Eine andere Ansicht ist, dass es zwischen den Professoren in deren zentraler Aufgabe, nämlich zur Forschung beizutragen, große Unterschiede gibt. Dann würden sich die, deren Arbeiten gegenwärtig die internationale Forschung beeinflussen, auf die Forschungseinrichtungen, insbesondere die Universitäten konzentrieren und wahrscheinlich dort die hohen Positionen einnehmen. In diesem Fall deckten sich die Namen in den Bestenlisten mit denen der Direktoren und vielleicht noch Abteilungsleiter der Hochschulen.

Mit Hilfe des Science Impact Index SII, der objektiv angibt, wie starke Spuren ein Wissenschaftler in den Schriften der Gemeinschaft der Wissenschaftler (Scientific Community) hinterlässt (S. Lehrl & E. Gräßel, 1993), sollte dies untersucht werden. Eine Studie widmete sich dem Dienstort und eine andere dem Dienstrang.


Hervorragende Professoren auch außerhalb der Universität

Ob sich von der weltweiten Scientific Community stark beachtete Mediziner gleichermaßen in den Universitätskliniken wie in außeruniversitären Krankhäusern befinden, ließ sich am Beispiel der Leiter der strahlentherapeutischen Einrichtungen in Deutschland prüfen. Berücksichtigt wurden nur die mit Professorentitel.

Als Grundlage diente das vom April 2001 stammende Verzeichnis der strahlentherapeutischen Institutionen in Deutschland: DEGRO (www.degro.org/strahla.htm). Sie umfassen radiologische, radioonkologische und nuklearmedizinische Einrichtungen.

Die Ergebnisse enthält die Tabelle.

Tabelle: Aktuelle Bedeutung der Leiter strahlentherapeutischer Einrichtungen für die internationale Wissenschaft (je höher der SII-Wert, desto mehr Bedeutung). Schattierte Kästchen zeigen die Höhe des Medians an

SII-Wert*

Universitäts-klinikum

Krankenhaus außerhalb Universität

Gesamtzahl

Bewertung der Bedeutung

0

2

10

12

keine

0 (ist in zitierten Arbeiten jedoch  Nachautor)

4

7

11

fraglich (Seniorforscher? Nur Daten- oder Geldbeschaffer? Geringste Beiträge?)

1

3

8

11

bedeutend

2

3

8

11

 

3

6

3

9

 

4

1

2

3

 

5

1

1

2

 

6

-

-

-

sehr bedeutend

7

3

1

4

 

8

1

 

1

 

9

1

2

3

 

10

3

 

3

 

11

1

 

1

 

12 bis 58

8

1

9

hoch bedeutend

Gesamt

37

43

80**

 

*0 bedeutet: leistet für die Wissenschaftler weltweit keine erkennbaren Forschungsbeiträge. Weitere Erläuterungen im Text
**Bei einem Professor war wegen der Namenshäufigkeit unter Fachkollegen der individuelle Wert nicht bestimmbar.

Die Auswertung zeigt:

Aus anderen Studien ist bekannt, dass das individuelle Ausmaß der Bedeutung für die internationalen Wissenschaften über viele Jahre stabil bleibt: Wer als gedienter Wissenschaftler zum Beispiel niedrige Werte hat, hatte in der bisherigen Karriere kaum ein höheres Niveau und lässt auch weiterhin keinen Anstieg erwarten (z.B. C. Ell et al., 1997).
Wissenschaftler mit einem niedrigen Zitationsniveau beeinflussen den Leistungsstand ihrer Umgebung kaum positiv. Dies betrifft die wissenschaftliche Qualität der Ausbildung von fachlichem Nachwuchs ebenso wie Kooperationspartner in der Forschung (R. Plomp, 1994). Auf der anderen Seite ziehen Wissenschaftler mit einem hohen Niveau ihre Umgebung hoch.


Hervorragende, aber auch unbedeutende Professoren in allen Diensträngen

Die oben vorgestellte Studie berücksichtigte Professoren in den höchsten Positionen ihres Fachgebiets. Wie steht es mit Professoren, die weniger hohe Stellen bekleiden oder gar mit Wissenschaftlern ohne Professorentitel?
Darüber gewährt eine andere Studie Auskunft, die über die Daten der Frauenheilkunde durchgeführt wurde, die E. Saling & A. Schino im Jahr 1992 veröffentlicht hatten. Nach einer entsprechenden Auswertung durch Lehrl & Gräßel (1993) ergab sich:

Fazit: Aus dem Professorentitel gepaart mit der Leitung einer strahlentherapeutischen Einrichtung ist im individuellen Fall nicht die Bedeutung für die internationalen Wissenschaften erkennbar. Auch nicht aus der Zugehörigkeit zu einer Universität oder außeruniversitären Klinik. Wie die Studie über Gynäkologen zeigt, lassen sich im Einzelfall auch keine halbwegs sicheren Schlüsse aus dem Dienstrang eines Gelehrten auf das Ausmaß seiner internationalen Bedeutung ziehen.

Hingegen hat, wer in die Bestenlisten aufgenommen ist, verlässlich eine hohe Bedeutung für die weltweite Forschung.

Für die anderen als hier untersuchten Fachrichtungen gelten nach den bisherigen Erkenntnissen ähnliche Verhältnisse.
 

 

Literatur:

Ell C, Gunreben E, Kettner S et al. Forschungsaktivität und Forschungsqualität im Spiegel von Zitationsindizes. Z Gastroenterol 1997; 35: 23-28.
Lehrl S, Gräßel E. Forschungsqualität deutscher Mediziner - Normen und Bewertungen. Media Point Verlagsgesellschaft: Nürnberg, 1993.
Plomp R. The highly cited papers of professors as an indicator of a research group´s scientific performance. Scientometrics 1994; 29: 377-93.
Saling E, Schino A. Science Impact Index (Alte Bundesländer) 1990. Universitätsverlag Jena: Jena 1992.
Troidl, H. Elemente, Auftrag und Beurteilung: Schrittmacher oder Nachzügler? In: Schweiberer L, Izbicki JR (Hrsg.) Akademische Chirurgie. Springer-Verlag: Berlin Heidelberg New York, 1992, S. 103-122.



Stand: 05.09.2003
S.L.